Mittwoch, 20. Juni 2018

Rassismus und Kritik an "Weltwärts"

In dem Seminar haben wir uns auch viel und ausführlich mit Kritik beschäftigt. Zum einen mit Kritik am Programm „weltwärts“, aber auch mit Kritik an der Privilegierung der „Weißen“ und dem sich daraus ergebenden Rassismus. 
Als ich am Anfang gesehen habe, dass wir uns im Vorbereitungsseminar auch mit Rassismus beschäftigen, war ich überrascht. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen. Natürlich weiß ich, was Rassismus ist (dachte ich), aber Rassismus in Uganda? Dort haben doch sowieso alle die gleiche Hautfarbe. Also Rassismus gegen uns? Konnte ich mir eigentlich auch nicht wirklich vorstellen. Das wir Freiwilligen niemanden aufgrund seiner Hautfarbe diskriminieren, ist doch eh klar, oder?
So dachte ich vor dem Seminar. Vielleicht habe ich schon hin und wieder darüber nachgedacht, wie gut es mir geht, dass ich mein Leben nach dem „westlichen Standard“ führen kann. Ich habe das bisher eher allgemein gesehen. Über die Privilegien, die ich allein aufgrund meiner weißen Hautfarbe oder meiner deutschen Staatsbürgerschaft genieße, habe ich bisher noch nicht nachgedacht, bzw. war mir diese Tatsache schlicht nicht bewusst. 
Diese Privilegien sind vielleicht nich so greifbar, aber sie sind da. Sie machen einen Unterschied aus „schwarz“ und „weiß“.
Zum Beispiel kann ich ohne weiteres ein Touristenvisum für Uganda beantragen und dort einreisen, während Trina (unsere Projektkoordinatorin in Uganda) nur deshalb einreisen darf, weil sie eine Frau ist, Kinder in Uganda hat und dort Land besitzt. Denn all das macht es sehr wahrscheinlich, dass sie nach Uganda zurückkehren wird. Für einen alleinstehenden Mann wäre es nahezu unmöglich, jemals ein Visum für Deutschland zu erhalten. 
Und damit bin ich schon mitten in der Kritik an „Weltwärts“. Wie soll ein deutsch-ugandischer Austausch (das heißt in beide Richtungen!) zustande kommen, wenn es schon an der Einreise scheitert? Eine Frage die sich daraus ergibt, ist wer eigentlich die Bedingungen für diesen „Austausch“ festlegt. Wir schicken Freiwillige nach Afrika um dort „Entwicklungshilfe“ zu leisten, ohne danach zu fragen, ob unsere „Hilfe“ überhaupt gewollt ist. Wer gibt uns das Recht zu bestimmen, dass beispielsweise die Ugander „Hilfe“ brauchen und dass wir in der Lage sind diese „Hilfe“ zu leisten? Was qualifiziert uns dazu? Unsere Hautfarbe? Die Tatsache, dass wir aus dem „Westen“ kommen? Allein schon das Wort „Entwicklungshilfe“ klingt abwertend und überheblich.
Wir neigen dazu, alles nur aus einer Perspektive zu betrachten und zwar aus der eigenen. Es funktioniert nicht so, wie wir es gewohnt sind, aber ist es deswegen automatisch schlecht? Einen Weg zu finden, nicht abzuwerten, aber auf der anderen Seite auch nicht zu romantisieren, ist nicht einfach. (Es gibt da ein interessantes Video von Chimamanda Ngozi Adichie „The danger of a Single story“.)
Das Problem liegt darin, dass wir häufig erst einmal bewerten und eine Schublade stecken, anstatt es einfach nur zu betrachten und möglichst unvoreingenommen Erfahrungen zu sammeln. Wir vergessen, dass es sich vielleicht manchmal einfach nur um eine andere Perspektive handelt, die sich aus einer eigenen Geschichte und anderen äußeren Umständen ergeben hat. 
Dieses Denken sitzt in unseren Köpfen, ohne dass wir es kaum jemals hinterfragen. Es sitzt nicht nur in den „weißen“ Köpfen, aber das macht es in keinem Fall besser. 
Während des Seminars haben wir einige Texte gelesen, die harsche Kritik am Freiwilligendienst üben, weil er diesen Rassismus reproduziert. Im ersten Moment war diese Kritik heftig. Warum gehe ich eigentlich nach Uganda? Sollte man mit dieser Kritik nicht schnellstens alle Freiwilligendienste abschaffen? Wie kann ich mit diesem Hintergrund überhaupt noch nach Uganda gehen?
Im zweiten Moment ist das nicht die Lösung. Stattdessen ist es aus meiner Sicht tatsächlich wichtig nach Uganda zu gehen und zu zeigen, dass es anders geht. Das ich nicht als „Weiße“ da „runter“ gehe, um zu „helfen“, sondern stattdessen den Austausch und die Zusammenarbeit zu stärken. Wenn ich nach Uganda gehe, sehe ich mich nicht als Lehrer, sonder als Schülerin, die von der Lebens- und Sichtweise der Ugander lernen darf. Nicht weil sie so schön ursprünglich und einfach leben, sondern einfach weil es ein anderes Land mit anderen Bedingungen und anderen Sichtweisen ist.
Auf lange Sicht müsste diese Kritik natürlich dazu führen, dass Freiwilligendienst mehr wie ein gegenseitiges Austauschprogramm funktioniert. Und vielleicht können wir Freiwillige dazu beitragen, indem wir bewusst machen, wie wichtig dieser Austausch ist und weiter die Einseitigkeit und den Rassismus kritisieren. 

Für mich bedeutet das ganz konkret, dass ich sehr aufpasse, was und wie ich hier schreibe und ich freue mich, wenn ihr mich auf generalisierende und kategorisierende oder sogar rassistische Äußerungen aufmerksam macht und meine Texte kritisiert.

Und natürlich freue ich mich auch ganz generell über eure Meinung zu dem Thema.

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